Lange ist’s her, als hier ein Spielbericht zu lesen war, doch die Geschehnisse dröge abzuspulen erspare ich euch. Ich könnte euch erzählen, wie toll es war, den Tabellenführer 4:0 zu schlagen, was es durchaus auch ist, doch anstatt möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen. Zwar ist es eine Kindergeschichte, sie enthält jedoch eine gewisse philosophische Eleganz und pädagogische Akkuratesse, die über die augenscheinliche Moral hinausgehen und Wahrheiten innehält, die alle Bereiche des Lebens zu durchleuchten vermag.
Drachen gibt’s doch gar nicht!
Billy Bigsby erwacht und entdeckt in seinem Zimmer einen Drachen. Er ist klein und süss und hat die Grösse einer Katze. Billy streichelt den Drachen, dieser wedelt vergnügt mit dem Schwanz. Er rennt hinunter in die Küche zu seiner Mutter und zeigt ihr den Drachen, Frau Bigsby erwidert jedoch: „Unsinn, Drachen gibt es nicht.“ Billy setzt sich ans Frühstück, der Drache hüpft auf den Tisch. Normalerweise ist sowas in diesem Haus nicht erlaubt, aber etwas, das es nicht gibt, kann man auch nicht sagen, dass es vom Tisch runter soll. Der Drache, jetzt schon so gross wie ein Hund, frisst alle Pfannkuchen weg, bis Frau Bigsby der Teig ausgeht. Er ist müde und legt sich im Flur zum Schlafen hin. Billy will den Drachen streicheln, aber etwas zu streicheln, das es nicht gibt, wäre unsinnig.
Billy rennt nach oben, macht sein Bett und sich selbst bereit für die Schule, doch als er wieder runter geht, kommt er nicht zur Tür hinaus, denn der Kopf des Drachens ragt bis in den Vorgarten hinaus. Es gibt bereits kein Zimmer mehr, in welchem nicht ein Teil des Drachens ist. Als der Lieferwagen der Bäckerei vorbeifährt und den Duft frischer Backwaren verbreitet, gibt es für den Drachen kein Halten mehr, er rennt hinterher und mit ihm das gesamte Haus, wie bei einer Schnecke. Herr Bigsby kommt nach Hause und merkt, dass sein Haus fort ist. Als er es endlich findet, fragt er seine Frau und seinen Sohn, wie das alles passieren konnte. Billy bemerkt: „Es ist wegen des Drachens, er ist zu gross.“, doch die Mutter erwidert mit Nachdruck: „Blödsinn, Drachen gibt es nicht, Billy.“
Billy streichelt den Drachen trotzdem und noch schneller als er gewachsen war, wird der Drache wieder kleiner, bis er wieder Katzengrösse annimmt. „Drachen dieser Grösse sind ok“, gesteht die Mutter ein.
Den Drachen nicht zu bemerken, ist das erste Problem und das zweite, ihn bewusst nicht anzuerkennen und nicht zu streicheln. Wenn wir die kleinen Dinge nicht richtig machen, können wir auch die grossen Hürden nicht überwinden. Und macht euch nichts vor, wir werden Hürden antreffen, auf welche wir so noch nicht vorbereitet sind. Mal schau ’n.